Der linke Arm hebt sich Stück für Stück in die Höhe und greift nach der Schranktür. Dort stehen ganz viele Tassen. Eine wird gegriffen und aus dem Schrank genommen, um den Tee darin aufzubrühen. Währenddessen ziehen sich die Augenbrauen zusammen, die Stirn faltet sich, die Zähne beißen aufeinander und ein Schrei wird unterdrückt.
Es sind die Schmerzen in der linken Schulter, die kleine Alltagsbewegungen nahezu unmöglich machen. Die Schmerzen treten immer wieder auf. Zeitweise gehen sie weg und tauchen ohne bestimmtes Muster erneut auf. Trotz anfänglicher Besserung durch Physiotherapie nehmen Valeries Beschwerden kein Ende.
Selbstheilungsprozesse aktivieren
Den Schmerz zu unterdrücken oder in ihn hineinzuarbeiten, kostet die Patientin sehr viel Kraft. Was sie nicht weiß ist, dass Schmerzäußerung und –ursache nicht immer ident sind. Die Einnahme von Schmerzmittel, ein Schonen oder Wärmen der Schulter hilft somit allenfalls kurzfristig.
Im Trinicum betrachtet erstmals eine Osteopathin die Patientin. Im Schmerzzentrum behandeln ausschließlich OsteopathInnen mit medizinischem oder physiotherapeutischem Hintergrund. Während bei einer Physiotherapie die PatientInnen selbst aktiv werden und oftmals Geräte oder andere Hilfsmittel verwenden, sind in der Osteopathie die Hände der OsteopathInnen das Werkzeug zur Heilung. Durch Druck auf die Haut und den Körper oder das Verschieben von Fasern wird der Selbstheilungsprozess angeregt.
Schmerzursache finden
Vor der eigentlichen Therapie führt die Osteopathin mit der Patientin Valerie ein ausführliches Anamnesegespräch. Die Patientin spricht in dieser Einheit spontan über ihre aktuellen Beschwerden. Das Gespräch hilft mit, die Schmerzursache zu finden.
Im Anschluss steht Valerie für einen Moment in Unterwäsche mit dem Rücken zur Osteopathin. In der stehende Position wird die Haltung der Patientin genauer betrachtet. Im Laufe der Untersuchung wird unter anderem die Beweglichkeit der Wirbelsäule, der Schulter und auch des Beckens untersucht.

In der Ganzkörper-Behandlung Valeries spürt die Osteopathin unter der Haut die harten Knochen, die Fäden der Faszien und die kompakte Muskulatur. Ihre Fingerspitzen hinterlassen sanfte Dellen auf der Körperoberfläche und ihre Handballen drücken sich tief in den Körper hinein.
Durch das Abtasten werden Störungen in den verschiedenen Strukturen erkannt. Bei Valerie ist der Magen die Ursache für ihre Bewegungseinschränkung an der linken Schulter. Denn auch Organe des Bauchraums hängen über Fasern mit dem Bewegungsapparat zusammen. Beispielsweise ist der Magen mit dem Zwerchfell verbunden, das wiederum mit dem Zug der Schultern verbunden ist.
Innere Organe als Schmerzursache
Valerie wird im Rahmen der Behandlung am Magen betastet. Die Haut wird gezogen und ineinander verschoben sowie die Hände in den Bauchraum gedrückt. Sofort wird Valeries Bauchdecke an der betroffenen Stelle hart. Sie krümmt ihren Oberkörper samt Schultern leicht in Richtung des Zwerchfells und beißt die Zähne aufeinander.
Sie empfindet Schmerz an der bearbeiten Stelle und geht in die Abwehrspannung. Sobald die Hand wieder weggeht und die Osteopathin aufhört, entspannt sich Valerie. Mehrfach wirkt die Osteopathin auf die Stelle ein, bis Valeries Abwehrspannung nachlässt.
Osteopathie therapiert ganzheitlich. Schmerz bedeutet hier, dass es fernab der ursprünglich schmerzenden Stelle – bei Valerie die Schulter - zu einem Ungleichgewicht im Körper gekommen sein kann. Die Therapie ist effektiv und entlässt PatientInnen in die Selbstverantwortung, ohne sie an Therapieformen zu binden. Daher werden Unstimmigkeiten, Beschwerden, Blockaden nicht alleinig im Bereich der schmerzenden Stelle analysiert, sondern auf verschiedenen Ebenen des menschlichen Körpers; darunter die Muskulatur, die Organe, die Gefäße, das Nervensystem oder auch die Gelenke und Faszien, die innere Strukturen zusammenhalten.
Fehlgeleitete Segmente zurechtgerückt
Dieses komplexe System verstehen unsere Osteopathinnen und rücken es mit ihren Händen wieder gerade. Sie wissen genau, welcher Wirbel entsprechenden Körperbereich versorgt und welche Auswirkungen das auf den gesamten Körper haben kann. Für Valerie bedeutet das so viele oder so wenige Einheiten, die nötig sind sich vom Magen über die Muskulatur, Knochen und Faszien hoch zur Schulter zu arbeiten, um die Patientin wieder schmerzfreizu machen. In der Osteopathie bedeutet das, fehlgeleitete Segmente bewusst zu manipulieren, um sie wieder in rechte Bahnen zu lenken. Das benötigt Zeit, weswegen die Einheiten in wöchentliche oder auch monatlichen Abständen stattfinden.
Nach fünf Einheiten bei der Osteopathin hat sich Valeries Bewegungsumfang der Schulter vergrößert und der Schmerz reduziert. Der Magen ist Dank Überweisung zur Trinicum Ernährungsberatung auch deutlich beruhigt.
Der Körper spricht auf die Therapie an: Er beginnt sich dank des manuellen Inputs neu zu organisieren und das Gewebe generiert sich wieder.